ppt des Gastvortrags von Azadeh Sharifi am 5. Juni 2020

https://azadehsharifi.wordpress.com/


Ein Archive der Herrschaftsgeschichte – Von Gestern bis Heute

von Pari Rostamianomran

Im Oktober 2018 erklärte der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung Günter Nooke in einem Interview, dass die Kolonialzeit dazu beigetragen hat, den Kontinent aus archaischen Strukturen zu lösen.
Hier Frage ich mich: Warum muss ein Kontinent, die archaischen Strukturen anderer Kontinente lösen? Zu welchem Preis haben Kolonialherrschaften die sogenannte Erlösung aus archaischen Strukturen vorgenommen? Wieso wurden archaischen Kunstwerke in der Kolonialzeit geraubt?

Was ist Kolonialismus?

Gängige Worterbucheinträge definieren Kolonialismus bis heute als den “Erwerb und die Nutzung von Kolonien” und verschweigen dabei, dass dieser _ in all seinen realpolitischen Facetten _ auf einem Herrschaftsverhältnis basiert, in dem eine Gesellschaft expandiert,fremde Territorien besetzt und deren Bevölkerungen verdrängt und unterdrückt. Ziele der Expansion stellen z.B. die Besiedlung der Territorien, ihre Ökonomische Ausbeutung und die Erweiterung des eigenen politishen Machtbereiches dar. Konventionelle Wörterbucheinträge verleugnen demnach, dass Kolonialismus auf “physischer, militärischer, epistemologischer und ideologischer Gewalt“ basiert und sich über Rasse und Kultur-Diskurse legitimiert.


Amerika als eine der Kolonialherrschaften

1492: Aneignung des  Amerikas, ein trauriges Datum für die meisten Menschen auf diesem Planeten, denn es läutete eine Ära ein, die Millionen von Menschen das Leben kostete oder sie schwer traumatisierte und deren Folgen bis heute nachwirken.

„Der europäische Kolonialismus“

Seit dem 16. Jahrhundert umfassten die Kolonialreiche Großbritanniens, Frankreichs, der Niederlande, Spaniens, Portugals, Belgiens, Italiens und Deutschlands mehr als drei viertel der Erde. Die europäische Kolonialherrschaft durchlief dabei unterschiedliche Phasen. Insbesondere die im 17. Jahrhundert aufkommende Plantagenökonomie ließ den transatlantischen Menschenhandel auf ein nie gekanntes Ausmaß ansteigen. Deutsche beteiligten sich bereits zu Beginn des europäischen Kolonialismus an der Erforschung, am Aufbau, Ausbau und an der Durchsetzung der europäischen Expansion.
Der zunehmende Widerstand versklavter Menschen, wie z.B. die so genannte Sklavenrevolution auf Haiti, bei der sich versklavte Menschen selbst befreiten und 1804 einen unabhängigen Staat gründeten, oder auch die abolitionistische Bewegung, die sich in Europa und den vereinigten Staaten von Amerika seit dem 18. Jahrhundert gegen die Sklaverei formierte, leiteten das Ende des transatlantischen Versklavungshandels ein.
Vom späten 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg erreichte der europäische Kolonialismus seinen Höhepunkt: Auf der Berliner Konferenz 1884/85 teilten die europäischen Kolonialmächte einen Großteil des afrikanischen Kontinents unter sich auf. Im so genannten Scramble for Afrika – dem Konkurrenzkampf um die Bildung neuer Kolonien in Afrika – reihte sich das Deutsche Reich erstmals in die Riege der europäischen Kolonialmächte ein. In gut zwei Jahrzehnten wurden mehr als zehn Millionen Afrikaner-innen enteignet und europäischer Herrschaft unterworfen.

„Deutsche Kolonialgeschichte“

Das deutsche Kolonialreich umfasste zeitweise etwa eine Millionen Quadratkilometer und 12 Millionen Einwohner-innen. Es war Territorial das drittgrößte, nach seiner Bevölkerungszahl das fünftgrößte europäische Kolonialreich. Die Aneignung des heutigen Namibia als erste und dezidierte Siedlungskolonie des Deutschen Reiches erfuhr in der deutschen Öffentlichkeit größte Aufmerksamkeit. Bereits vor der deutschen Reichgründung von 1871 erschien der Besitz von Kolonien daher als relevant für eine Nationale Zukunft und als Pflicht für jede zivilisierte Kulturnation.
In den besetzten Gebieten stieß die deutsche Kolonialherrschaft auf erheblichen Widerstand, sodass es zu bewaffneten Auseinandersetzung und Kriegen kam: unter anderem 1888-90 und 1891-92 an der Küste des heutigen Tansanias, 1893 und 1896 im heutigen Namibia sowie 1896 und 1905 in Kamerun. Die deutschen Kolonialtruppen führten genozidale Kriege: 1904-07 im heutigen Namibia gegen die Herero und Nama, und 1905-06 im heutigen Tansania gegen den Maji-Maji- Widerstand, den die deutschen Truppen mit der sogenennten Politik der verbrannten Erde beantworteten.
Die deutsche Kolonialherrschaft endete zwar formal mit dem Ersten Weltkrieg bzw. Mit dem Versailler Vertrag von 1919, dennoch gab es auch weiterhin Bestrebungen, die einstiegen Kolonien wiederzuerlangen.

 „Schöne Löwen statt Kontext“
Im Jahr 2018 zeigt die Schirn Kunsthalle in Frankfurt großformatige Tier und Landschaftsdarstellungen sowie Illustrationen eines bislang von Museen weitgehend ignorierten Kolonialmalers: Wilhelm Kuhnert. Die Motive entstammen vor allem der ehemaligen Kolonie Deutsch_ostafrika, die Kuhnert zwischen 1891 und 1912 ausgiebig bereiste. Einer der möglichen Gründe, für die bisherige Nichtbetrachtung seines Werkes, sei das „Latente Unbehagen angesichts von Großwildjagd und Kolonialherrschaft“. Denn Kuhnert war nicht nur ein herausragender Maler und Illustrator, sondern als exotischem Sehnsuchtsort. Die Großwildjagd war im Rahmen des europäischen Kolonialismus ein Zentrales Herrschaftsritual. Die Tiere, die Kuhnert schoss und malte, waren Verkörperung einer Vorstellung von vitaler Urwildnis, die sich der Jäger aneignete. Seine Tierdarstellungen sind auch direkter Profiteur kolonialer Gewalt. Seine Bilder prägen die bis heute wirksamen Vorstellungen von Afrika die visuelle Vermittlung des kolonialen Raumes als zu erobernde Wildnis, sie sind Symbole des Kolonialismus.

„Koloniale Spuren und postkoloniale Gegenwart im deutschen Kontext“
Duktus bat die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, im Kontext der Gedenkfeier des In christlichem 100. Jahrestages zur Niederschlagung des Aufstandes der Herero im Jahre 2004 im Sinne des gemeinsamen Vaterunser um Vergebung unserer Schuld. Entschädigungszahlungen an ehemalige Kololnien wurden nie geleistet.
Das Öffentliche Wissen über die deutsche Kolonialzeit und die damit einhergehenden Kolonialverbrechen ist nach wie vor marginal, Z.b. haben weiße Autorinnen in dreizehn Jahren deutsch-deutscher Schulbildung wenig bis gar nichts über die deutsche Kolonialvergangenheit erfahren.Und wenn, dann in der Form: Deutschland hatte nur kurz und wenige Kolonien, und die Engländer waren viel schlimmer. Und dazu euphemistischen Kommentar: Der europäische Kolonialismus habe Afrika doch auch gutes gebracht, werden die Tore für eine Reproduktion Kolonialer und rassistischer Legitimationsmuster diskursiv geöffnet. Sich der eigenen Kolonialgeschichte nicht oder nur aus Herrschaftsperspektive bewusst zu sein, ermöglicht Gleichgültigkeit, Distanzierheit und fehlende Verantwortungsübernahme. In Deutschland fehlt der eigenen kolonialen Vergangenheit eine aktive und öffentlichkeitswirksame Erinnerungskultur. Diese fehlende Erinnerung steht in Diskrepanz zu den realen historischen Gegebenheiten und dazu, dass der Kolonialismus ein eng mit der Versklavung und Verschleppung von Menschen aus Afrika sowie der Entstehung des Rassismus und der Rassentheorien verbundenes gesamteuropäisches Projekt war.
Die Herrschaft der europäer_innen hinterließ massive Spuren in den Kolonisierten Gesellschaft und zerstörte oftmals die kulturellen und ökonomischen Strukturen der jeweiligen Regionen. In der Auseinandersetzung mit den Folgen kolonialer Gewalt arbeitete der Psychoanalytiker Frantz Fanon deren traumatisierende Wirkung auf die Kolonisierten heraus, die mit „the total unreason of racial prejudice“ als Andere konstruiert werden. Die Fixierung als „anders“, „fremd“ und konstitutives „Außen“ des Weißseins bringt nach Fanon eine Entfremdung von sich selbst und der Gemeinschaft mit sich.

 

„Entkolonialisierung“


Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wird als Phase der Entkolonialisierung und der antikolonialen Befreiungskämpfe v.a. in Asien und Afrika bezeichnet. Der Erfolg dieser Bewegung kommt im sogenannte Nationbuilding und der Zunahme unabhängiger Staaten zum Ausdruck. In vielen Entwicklungsländern sind die zurückgebliebenen Wirtschaftsstrukturen des Kolonialismus schwer zu überwindende Entwicklungshemmnisse, die willkürliche Grenzziehung durch die ehemaligen Kolonialmächte stellt häufig die Ursache für regionale Konflikte und Kriege dar.

„Restitution, Homboldt Forum und umstrittenes Kreuz“

Bereits 2002 beschloss der Bundestag den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldt Forum, das „wichtigste kulturpolitische Projekt in Deutschland“. Der „Jahrhundertbau“ im Zentrum der Hauptstadt soll 590 Millionen Euro kosten.
Der Titel des Konzepts ist „Das Humboldt-Forum: Soviel Welt mit sich verbinden als möglich“. Berlins „außereuropäische Sammlungen“ sollen von ihrem abgelegenen Standort Berlin-Dahlem ins Stadtzentrum ziehen. Außerdem soll das Gebäude von der Zentral- und Landesbibliothek sowie von der Humboldt-Universität bespielt werden. Geplant ist ein „kulturelles Zentrum von nationaler und internationaler Ausstrahlung“, mit dem sich Berlin im Kreis der „weltweit führenden Kultur- und Museumsstädte“ etablieren will.
Das vorliegende Konzept verletzt die Würde und die Eigentumsrechte von Menschen in allen Teilen der Welt, ist eurozentrisch und restaurativ. Das Humboldt-Forum steht dem Anspruch eines gleichberechtigten Zusammenlebens in der Migrationsgesellschaft entgegen.
Begründungen dafür sind:

  • Die Staatlichen Museen Berlins sind nicht die „rechtmäßigen Besitzer ihrer Bestände.
  • Der von Berlin ausgehende Kolonialismus wird rehabilitiert.
  • Die Kulturen der Welt werden als „fremd“ und „anders“ diskriminiert.
  • Die „Erforschung außereuropäischer Kulturen“ wird nicht problematisiert.
  • Die kulturellen Schätze der Welt bleiben den Privilegierten im Norden vorbehalten.


Quellen:
https://www.no-humboldt21.de/
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/other/umstrittenes-kreuz-auf-humboldt-forum-aufgesetzt/ar-BB14M7I5
Susan Arndt & Nadja Ofuatey_ Alazard (Hg.), Wie Rassismus aus Wörtern spricht. Unrast Verlag, Münster. Anette Dietrich und Juliane Strohschein, S. 114-120.
Susan Arndt & Nadja Ofuate _ Alazard (Hg.), Wie Rassismus aus Wörtern spricht. Unrast Verlag, Münster. Deutscher Kolonialismus, Nadja_Ofuatey-Alazard. S. 136